Prof. Dr. Burger, nicht nur für Lungen-, sondern auch für Blasenkrebs stellt Rauchen ein erhebliches Risiko dar. Wie kommt es zu diesem Zusammenhang?
Prof. Dr. Burger: Es ist nicht naheliegend, dass ein Schadstoff, der über die Atemluft zugeführt wird, ein Problem in der Blase verursacht, die ja Harn speichern und ausscheiden soll. Tatsächlich ist es aber so, dass der Tabakrauch aromatische Amine enthält. Diese Gruppe von Chemikalien wird über den Urin ausgeschieden und kann sich so in der Blase anreichern. Die Schleimhautzellen in der Harnblase kommen also mit den krebserregenden Stoffen genauso in Kontakt wie die Bronchien in der Lunge. Rauchen gilt dabei mit großem Abstand als Risikofaktor Nummer 1 für Harnblasenkrebs. Man schätzt, dass etwa zwei Drittel aller Blasenkarzinome direkt damit in Zusammenhang stehen.
Wie häufig tritt Blasenkrebs im Vergleich zu anderen Krebserkrankungen auf?
Das Harnblasenkarzinom ist die siebthäufigste Krebsart in Deutschland. Bei Männern liegt es sogar an vierter Stelle, denn vor allem in der älteren Generation rauchen diese deutlich mehr als Frauen, bei denen Blasenkrebs nur an elfter Stelle in der Tumorstatistik steht. Unter Jüngeren rauchen beide Geschlechter etwa gleich viel, sodass sich auch die Tumorhäufigkeit wahrscheinlich angleichen wird.
Die Statistiken zeigen bei Blasenkrebs insgesamt steigende Tendenzen, während der Tabakkonsum in Deutschland seit Jahren zurückgeht. Wie lässt sich das erklären?
Diese Beobachtung hat damit zu tun, dass Tabakkonsum den Körper auch Jahrzehnte später schädigen kann. Wenn man mit dem Rauchen aufhört, halbiert sich das Risiko für Lungenkrebs nach zehn Jahren – bei Blasenkrebs aber beginnt das Risiko zu diesem Zeitpunkt überhaupt erst zu sinken. Die heutigen Blasenkrebsfälle betreffen somit hauptsächlich ältere Patientinnen und Patienten, die in der Vergangenheit geraucht haben.
Welche Symptome können auf Blasenkrebs hindeuten?
Das klassische Symptom ist die sogenannte schmerzlose Makrohämaturie, also Blut im Urin, das, anders als bei einer Blasenentzündung, nicht weh tut. Die Rotfärbung ist dabei mit bloßem Auge erkennbar.
Wie sollte man vorgehen, wenn man diese Anzeichen bemerkt?
Auf jeden Fall sollte man zum Arzt gehen, idealerweise zur Urologin oder zum Urologen. Um der Ursache auf den Grund zu gehen, reicht meist eine Blasenspiegelung oder eine Untersuchung mithilfe moderner Bildgebungsverfahren wie CT und MRT.
Wie gestaltet sich die Behandlung für den Fall, dass tatsächlich ein Blasenkarzinom vorliegt?
Wie auch bei anderen Karzinomen ist die Früherkennung entscheidend für den weiteren Verlauf. Etwa zwei Drittel aller Blasenkarzinome wachsen nicht tief in die Blasenwand hinein und können somit recht schonend durch die operative Entfernung des Tumors geheilt werden. In den meisten Fällen schließt sich noch eine Behandlung mit Medikamenten an, die über einen dünnen Katheter direkt in die Blase eingeführt werden. Dieser Vorgang mag befremdlich klingen, stellt für die Patientinnen und Patienten in der Regel aber keinerlei Belastung oder Problem dar.
Wie geht man bei ernsteren Fällen vor?
Etwa ein Drittel der Blasenkarzinome wächst tiefer in die Blasenwand hinein, ist sehr aggressiv und muss intensiv behandelt werden. Hier kombiniert man eine medikamentöse Therapie mit einer Operation. Die eigene Harnblase wird dabei komplett entfernt und durch eine aus einem Teil des Dünndarms geformte Neoblase ersetzt. Dieser Eingriff ist durchaus aufwendiger, kann heute aber dank moderner Robotersysteme, wie sie bei uns in St. Josef Standard sind, recht elegant durchgeführt werden. Auch die Betreuung hinterher ist etwas intensiver, aber die Endergebnisse sind durchaus zufriedenstellend. Entscheidend für den Erfolg der Behandlung ist, dass man die komplexe medikamentöse Therapie und die Operation gut zusammenbringt, wofür es große Erfahrung braucht. Mit etwa 100 Fällen pro Jahr verfügen wir in St. Josef definitiv über große Expertise auf diesem Gebiet. Eine Mindestmenge von 25 Behandlungen im Jahr pro Krankenhaus, um die nötige Erfahrung zu gewährleisten, wird momentan diskutiert.
Welche Vorsorgemaßnahmen empfiehlt es sich zu ergreifen, damit es nicht so weit kommt?
Wichtig für die Vermeidung von Blasenkrebs ist, möglichst 1,5 bis 2 Liter pro Tag zu trinken und nicht zu rauchen. Ein Früherkennungsprogramm, wie man es etwa von Darm- oder Prostatakrebs kennt, gibt es für das Harnblasenkarzinom nicht. Umso mehr empfiehlt es sich, die allgemeinen Gesundheitschecks in der Hausarztpraxis wahrzunehmen, bei denen auch der Urin untersucht wird.
Was bedeuten die Erkenntnisse rund um den größten Risikofaktor für Blasenkrebs für all jene, die in Jugendjahren geraucht haben?
Natürlich ist es am besten nie zu rauchen. Die gute Nachricht für alle Jugendsünder und Partyschnorrer wäre aber, dass eine geringe Gesamtbelastung über einen längeren Zeitraum hinweg wahrscheinlich unerheblich für das Krebsrisiko ist. Das gilt sowohl für Lungen- als auch Blasenkrebs. Das Risiko ist also mengenabhängig. Ist die kritische Menge aber einmal erreicht, dann ist das Risiko umso hartnäckiger und bleibt lebenslang erhöht.